Die Josefskapelle

Die Josefskapelle gehört zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen der Vergangenheit in Klingenstein. Sie wurde erstmals Anfang des 18. Jahrhunderts im Bernhausischen Vogtbuch erwähnt. Die Herren von Bernhausen mit Sitz in Oberherrlingen hatten Schloss und Dorf Klingenstein im Jahr 1579 gekauft. Josef Schneider, Wirt der Kalten Herberge, lies 1715  zu Ehren seines Namenspatrons unmittelbar ostwärts des Gasthauses an der Ulmerstraße eine neue Kapelle errichten. Im Vogtbuch wird berichtet, dass Besagter Josef Schneider am 8. Januar 1716 vor der Herrschaft des Bernhausischen Kleinstaates erschienen ist und diese um ein Darlehen in Höhe von 100 Gulden gebeten hat. Diesen ansehnlichen Betrag benötigte er zur Entrichtung der kirchlichen Gebühr für die Erlaubnis zur Feier der heiligen Messe in der Josefskapelle. Die Bernhausen gewährten das Darlehen und die gewünschte Erlaubnis für das Messopfer wurde 1722 erteilt.

Wir wissen nicht, was Josef Schneider letztendlich zum Bau der Kapelle bewogen hat. Möglicherweise war sie ein Ersatz für die alte Kapelle, die bei der Hohlmühle (später Firma Interglas) gestanden hatte. Diese Kapelle war der Sage nach von Ritter Wolf von Klingenstein 1290 erbaut worden. In der „Bachmaierkarte“ von 1651 ist sie noch eingezeichnet, verfiel aber wohl in dieser Zeit. Dieses Kirchlein wurde 1709 neu errichtet – nicht aber in Klingenstein, sondern in Oberherrlingen beim Schloss der Grundherrschaft. An der Decke der „Maria-Hilf-Kapelle“ ist bis heute ein Gemälde zu bestaunen, das den Überfall des Ritters Wolf und das wunderbare Eingreifen der Gottesmutter an der Hohlmühle darstellt. Vielleicht wollte der Klingensteiner Wirt einfach wieder eine Kapelle in seiner Nähe haben. Es könnte sein, dass der „Hotelier“ Wallfahrer anlocken wollte. Möglicherweise wollte er durch den Bau sein Seelenheil retten, das durch seinen unerlaubten Salzhandel gefährdet gewesen sein könnte. Vielleicht war der Bau einfach Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit oder Verpflichtung aus einem Gelübde. Sicher ist, dass das Bauen, das Leben überhaupt in dieser Zeit mächtig Aufschwung genommen hat. Das 17. Jahrhundert war noch geprägt gewesen von Krieg, Hunger und Pest. Langsam hatte sich das Land von dieser schrecklichen Epoche erholt und die Lust am Leben blühte. Der Baustil des Barock lässt das Lebensgefühl der damaligen Zeit erahnen. Alles schaffte, baute und lobte Gott.

So war die Josefskapelle wohl an die 200 Jahre lang zusammen mit der Schlosskapelle die „Kirche der Klingensteiner“, wobei die wichtigsten Gottesdienste bis zur Erbauung der Talkirche in Herrlingen stattfanden.

Im letzten Jahrhundert war der Josefskapelle kein großes Glück beschieden. Alte Klingensteiner erinnerten oder erinnern sich noch, dass es am Josefstag Wallfahrten hierher gegeben hat. Bis heute werden am 19. März nach dem Gottesdienst Josefsbrezgen verkauft. Der ersten Klingensteiner Pfarrkirche und später der Pfarrgemeinde gab die Josefskapelle den Namen, trat dann aber immer mehr in den Schatten. Im „Dritten Reich“, als der Religionsunterricht aus den Schulen verbannt wurde, wurde dieser in die Josefskapelle verlegt. Danach wurde die Kapelle geschlossen. Glocke, Votivtafeln und Figuren wurden heraus genommen und später in der neu erbauten Josefskirche am Berg untergebracht. Nur der Altar blieb in der Kapelle mit der barocken Halbfigur des Gottvater (war erst vor dem 1. Weltkrieg im Ulmer Kunsthandel erworben worden), dem Antependium (hölzerne Tafel am Fuß des Altars) mit reichem ölfarbenem Blumenschmuck um den Heiligen Antonius und der Josefsfigur im Zentrum des Altars. Josefsfigur, Antependium und die Außenmauer tragen die Jahreszahl 1722.

Um sie vor dem Zerfall zu bewahren bekam die Kapelle Anfang der achtziger Jahre ein neues Dach und einen neuen Außenputz. Die B 28 erschütterte aber weiterhin das Fundament. Ohnehin hatte der starke Verkehr dieser Straße eine religiöse Nutzung unmöglich gemacht.

Lange Zeit war über eine Zukunft für das Gotteshäuslein nachgedacht und diskutiert worden.

In Abstimmung mit dem Denkmalamt und der bürgerlichen Gemeinde entschied sich die Kirchengemeinde für eine Versetzung innerhalb des Bereiches der Kalten Herberge, deren Wirt sie einst gestiftet hatte. Unter Verwendung vieler historischer Bauteile ist das Gotteshaus neu aufgerichtet worden. Bei jedem Bauteil wurde abgewogen, ob es restauriert und in die neue Kapelle übernommen oder ganz neu hergestellt werden sollte. Wahrlich manchmal keine leichte Entscheidung, zumal meistens das Neue billiger war als die Renovation. Beachtliche Zuschüsse der Gemeinde Blaustein und der Kommunal-Entwicklung Baden-Württemberg ließen dennoch Spielraum für die Erhaltung unseres historischen Erbes. Am 10.09.2000 konnte die neue Josefskapelle feierlich wieder eingeweiht werden.

Die Kapelle wird von einem Team ehrenamtlich betreut – sauber gehalten und sonn- und feiertags geöffnet.

Die Kirchengemeinde erhofft durch die Versetzung eine neue Zukunft für das Kirchlein. Möge es ein Ort der besonderen Gegenwart Gottes sein, ein Platz, wo Himmel und Erde sich berühren; eine Ruhezone der Inspiration, wo dieser Josef, der Zimmermann aus der Antike, Gedanken anstößt für ein besseres, einfacheres, ein sinnvolleres, erfüllteres Leben im 21. Jahrhundert.