Ursprung der Kirchengemeinde St. Martinus Dietingen

Die Anfänge der Dietinger Kirche fallen wahrscheinlich in die Zeit der fränkischen Missionierung des Alemannenlandes im 7. oder 8. Jahrhundert. Hierauf weist der Name des Kirchenpatrons, des Hl. Martin, Bischof von Tours, hin.

Ursprünglich handelte es sich wohl um eine schlichte Holzkirche, die von einem alemannischen Adligen als Eigenkirche erbaut wurde. Sie wurde an einen bereits vorhandenen Wirtschaftshof angegliedert, so dass der Unterhalt des Priesters gesichert war. Erste Gottesdienste konnten gefeiert werden.

Erste schriftliche Erwähnung der Pfarrei und Besitzstände

1236 wurde die Pfarrei erstmals schriftlich erwähnt.

Zumindest ist aus diesem Jahr eine Urkunde als Abschrift des 18. Jahrhunderts lückenhaft erhalten, in der ein Gemeindemitglied 'plebanus' als Zeuge zu einem Vergleich zwischen dem Kloster Blaubeuren und den Söhnen des 'Ministers H.' in Ulm über Besitzrechte an einer Ulmer Mühle benannt wird.

Kirchlich gehörte die Pfarrei Dietingen seit ihrem Bestehen zum Bistum Konstanz und Dekanat Blaubeuren des Archidiakonats 'Circa Alpes' (= Alb).

Der Dietinger Kirchbesitz gehörte ursprünglich den Grafen von Dillingen, die ihn vorübergehend der Pfarrei Harthausen zuwiesen. Die Kirche samt Besitz kam nach 1300 an die Grafen von Württemberg. Im 15. Jahrhundert ging sie an die Herren von Stadion zur Arnegg, die in der Reformation katholisch blieben und mit ihnen die Pfarrkirche von Dietingen. Die Deutschordenskommende Altshausen übernahm 1700 den Besitz bevor er zu Beginn des 19. Jahrhunderts wiederum an Württemberg fiel, das die katholische Zugehörigkeit unangetastet ließ.

 

St. Martinus Dietingen im Mittelalter

Der Kern der heutigen Kirche geht auf romanische Reste zurück. Das Bauwerk wurde im 13. und 15. Jahrhundert gotisch erneuert und erweitert. Der mittelalterliche Dachstuhl und der Altar tragen die Jahreszahl 1493. In dieser Zeit erhielt der Dreiachtel-Chor, der sich an das flachgedeckte Kirchenschiff anschließt, ein Netzgewölbe, das schöne Schlusssteine zieren. Sie stellen die Gottesmutter Maria, St. Martin, St. Katharina und St. Barbara dar.

Das hohe Alter des Kirchenbaus bezeugt der massive, im unteren Bereich noch romanische Turm, der kurz nach 1500 unter Bartholomäus Spengler mit Spitzbogenfenstern und Satteldach auf die heutige Höhe aufgestockt wurde. Pfarrer Spengler fand seine letzte Ruhestätte im Turmboden. Der Zugang zum Turm wurde mit dem Grußwort 'Pax intrantibus' versehen.

Die einschiffige Kirche, die sich inmitten des ummauerten Kirchhofs erhebt, ist aufgrund ihres Alters ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung und daher streng denkmalgeschützt.

Eindrucksvoll stellt sich der Taufstein dar, der auf 1426 datiert wird. Er hat die Form eines zwölfeckigen Kelchs, verziert mit Christuskopf, Hirschen und Blattwerk. Er trägt den Namen des Stifters (?) Ulricus Binder, eines im 15. Jahrhundert wiederholt urkundlich bezeugten württembergischen Lehensmanns in Dietingen und Markbronn.

Zur Ausstattung der Kirche gehört eine spätgotische Pietà Ulmer Schule um 1480.

Unter dem Putz des Kircheninneren werden Wandmalereien aus dem Mittelalter vermutet. Reste des Vorgängerbaus könnten sich noch unter dem Kirchenboden befinden.

Die Schicksale der Pfarrei im Zeitalter der Glaubenskämpfe

Im Jahr 1517 bringt Martin Luther seine 95 Thesen in Umlauf. Eine öffentliche Diskussion im gesamten Reich entsteht.

1531/1532 ist die Reichsstadt Ulm zur neuen Lehre übergetreten, 1534/1535 verfügt Herzog Ulrich von Württemberg die Reformation in seinem Land.

Im 16. Jahrhundert erfolgte die Aufteilung der kirchlichen Besitztümer, an der Einheit der politischen Gemeinde wurde ausdrücklich festgehalten.

Im Jahr 1542 wurde den Dietinger Pfarrern die von der Pfarrei Harthausen getrennten Filiale Arnegg zugewiesen.

Die Kirchengemeinde 1618-1806

Der 30jährige Krieg brachte der Pfarrei materielle und seelische Verarmung wegen Mord, Brand, Plünderungen. 1632/33 flohen die von Stadion und auch die Pfarreistelle war öfters nicht besetzt. Auch nach dem Westfälischen Friedensschluss (1648) musste die Pfarrei wiederholt von Nachbarpfarrern betreut werden.

Die hl. Messe wurde abwechselnd in Dietingen und Arnegg (Marienkapelle oder auf Schloß Arnegg) gefeiert. Die Pfarrer nannten sich nun Pfarrer von Dietingen und Arnegg.

Ein gutes nachbarliches Zusammenleben mit den mehrheitlich evangelischen Gemeindegenossen war zur Erhaltung des Dorffriedens in einem Ort "vermischter Religion" wichtig. Hierzu gab es klare Regelungen z.B. für Hausbesuche oder Begräbnisse.
Konfessionelle Toleranz und bürgerlicher Gemeinsinn zeigte sich in der Zulassung der katholischen Markbronner und Dietinger Kinder in die vom Blaubeurer Spital unterhaltene evangelische Schule in Markbronn.

Die Glocken stammen aus dem 18. und 20. Jahrhundert. 1779 wurde in Ulm die Martinusglocke gegossen, von Carl Christoph Frauenlob.

Von der Säkularisation bis zur 750 Jahr Feier

1806 verschwanden die uralten Herrschafts- und kirchlichen Grenzen, Markbronn / Dietingen wurde eine durchgängig württembergische Gemeinde. Das Religionsedikt anerkannte das katholische Bekenntnis als Staatsreligion und setzte es dem evangelischen gleich.

1881 gründliche Erneuerung der Kirche (Neudeckung Chor- und Turmdach, Einzug der Decke im Inneren, Auslegung des Fußbodens mit Mettlacher Steinen).

1883 Aufstellung der neuen, einmanualigen Orgel mit 7 Registern.

1888-1892 Stiftungen der 3 Kirchenfenster im Chorraum und eines weiteren Fensters. Die Farbglasfenster sind im Chor figürlich, im Schiff ornamental ausgestaltet. Sie sind z.T. inschriftlich datiert und sind Arbeiten eines Malers Reiser.

1899 Fertigstellung des Schulhauses (das heutige Pfarrheim). Schulbetrieb bis 1937. Ab 1948-1966 als zusätzlicher Schulraum zur Unterbringung von Klassen der Volksschule in Markbronn genutzt.

Um 1930: Eindecken des Chors mit Schiefer, Erdarbeiten um die Kirche, Verputzen des Turms.

Ab 1950 Neugestaltung des kirchlichen Innenraums von St. Martinus Dietingen.
1955 elektrisch automatisiertes Läutwerk, Orgel mit elektrisch angetriebener Windturbine.
1962 elektrische Strahlenheizung unter den Sitzbänken.
1964/1965 Anbau der Leichenhalle.
1965 Abbruch der nicht mehr benötigten Pfarrscheuer.
Am 04. Mai 1973 wurden 3 Glocken in Heilbronn gegossen, am 20. Mai geweiht auf die Namen Hl. Dreifaltigkeit, hl. Thomas Morus und Gottesmutter Maria.

1983-1985 Renovierung der Pfarrkirche Dietingen und Neugestaltung des Innenraums.

Filialgemeinde Arnegg

Bis zur Gründung einer eigenen Kirche und Pfarrei Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Arnegg von Dietingen aus seelsorglich mitbetreut.

1891 stellte Pfarrer Muck eine Gottesdienstordnung auf, aus der ersichtlich ist, welche Gottesdienste in Dietingen, welche in Arnegg gefeiert wurden.

Während der Jahrhunderte wird immer wieder das gespannte Verhältnis der beiden Pfarreiorte deutlich. Pfarrer Barth schrieb 1940: "Der Schwerpunkt der pastoralen Arbeit ist Arnegg. Dort leben 5 mal mehr Katholken als in Dietingen und Markbronn zusammen. Das Unnatürliche der gegenwärtigen Sachlage fühlt der Pfarrer immer mehr. Das Natürliche ist, den Pfarrsitz nach Arnegg zu verlegen."

1955 zieht Pfarrer Konrad Holz in Arnegg im neu gebauten Pfarrhaus ein. 1975 Einzug von Pfarrer Engwicht ins neue Pfarrhaus südlich der Kirche. Dieses stellt seither den Pfarrsitz dar.

1960/1961 Bau der Dreifaltigkeitskirche in Arnegg. Die Muttergemeinde Dietingen stiftete den Hochaltar aus Muschelkalk.

Quellen:
Festschrift zum 750jährigen Pfarreijubiläum St. Martinus Dietingen
"Vor 750 Jahren erstmals bezeugt: St. Martinus Dietingen; Grundzüge einer Pfarreigeschichte"
(Hubert Fink, 8. Mai 1986)
Zusammenfassung der historischen Besonderheiten durch H. Dr. Oliver Schütz, Theologe und Historiker (Januar 2019)